Montag, 12. März 2012

Sarkozy setzt bei der Präsidentschaftswahl nun auf die Harkis

Frankreichs Staatspräsident Sarkozy setzt nach dem Genozid-Gesetz nun auf 200.000 Angehörige der Harkis, um die Präsidentschaftswahl doch noch für sich zu entscheiden

Als die französische Armee sich 1962 nach einem jahrelangen Krieg aus Algerien zurückzog, ließ sie auf Befehl der französischen Regierung ihre algerischen Helfer - die sogenannten Harkis - zurück.  Mehrere zehntausend dieser Harkis wurden dann zusammen mit ihren Familien von den algerischen Siegern hingerichtet. Nur wenige überlebten und konnten nach Frankreich flüchten, wo man sie eigentlich nicht haben wollte. Man brauchte sie einfach nicht mehr. Algerien war nun eine eigene Nation, was sollte man mit Leuten anfangen, die ihr eigenes Land verraten hatten. Und noch dazu Araber!
Kurz vor der Präsidentschaftswahl Mitte 2007 versprach Nicolas Sarkozy den Angehörigen der Harkis die in Frankreich leben, er werde die Verantwortung Frankreichs offiziell anerkennen lassen. Frankreich habe während des Rückzugs aus Algerien einen großen Fehler begangen, als sie die Harkis in Algerien zurück ließ und dem Morden tatenlos zuschaute, so Sarkozy. Fast 5 Jahre sind vergangen und auf das einstige Wahlversprechen warten die Harkis immer noch. In Nizza sprach Sarkozy heute während einer Wahlkampfrede zum ersten Mal seit seiner Amtsübernahme wieder von Schuld und Sühne gegenüber den Harkis.
Nicolas Sarkozy setzt erneut auf eine Gesellschaftsschicht, die lange in Vergessenheit geriet, um bei der Präsidentschaftswahl doch noch eine Mehrheit zu erreichen und die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Nach dem Debakel mit dem Genozid-Gesetz, mit der die Leugnung des sogenannten Völkermordes an Armenien im Osmanischen Reich im Jahre 1915, unter Strafe gestellt werden sollte und diese nach der Billigung durch das französische Nationalparlament und des Senats vom Verfassungsrat als verfassungswidrig eingestuft wurde, will Sarkozy nun kurz vor dem 22. April doch noch den nach Umfragen her befürchtete Stichwahl für sich entscheiden. Für die größte Oppositionspartei, die "Parti Socialiste", tritt der frühere Parteivorsitzende François Hollande als Kandidat auf, und Hollande hat seither stetig an Popularität hinzugewonnen. Da das Genozid-Gesetz nicht mehr in Kraft treten kann und Sarkozy befürchtet, dass die armenische Diaspora ihm die Stimmen verwehren, setzt Sarkozy nun auf die 200.000 Stimmberechtigten Harkis.
Während seiner Rede in Nizza sagte Sarkozy heute, "um zu verzeichen müssen wir erkennen das den Harkis Ungerechtigkeit widerfahren ist. Nun müssen wir darauf aufbauen, denn die Republik braucht Sie.", und damit meinte Sarkozy die unbeliebten Harkis denen er moralische Wiedergutmachung versprach. Sarkozy erklärte aber zugleich, eine Entschädigung werde es nicht geben. Die französischen Medien berichten, Sarkozy habe zwar von "Verzeichnung" und "Entschuldigung" gesprochen, nicht aber in Zusammenhang mit der "Republik", der den Weg zu Entschädigungszahlungen ebnen würde.

Hakris - Nationalisten wollen Stolz sein können

Nach 1962 hatten sich 2001 Harkis entschlossen, vor dem Pariser Landgericht eine Menschenrechtsklage wegen des erlittenen Unrechts einzureichen. Die Klage gegen Unbekannt, die sich gleichermaßen gegen Frankreich und Algerien richtete, lautet auf "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Ihr eigentliches Ziel: Paris soll gestehen, sie am Ende des Algerienkrieges verraten zu haben.
Man kann sich fragen, was sich die Harkis von einem solchen Geständnis versprechen. Geld wohl kaum. Ihnen geht es auch nicht darum, Frankreich an den Pranger zu stellen. Viele Harkis sind nämlich - wie die französischen Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg - überzeugte französische Nationalisten. Auf ein Frankreich, das seine Schuld nicht bekennt, können sie aber nicht stolz sein. Ihre Klage ist daher ein verzweifelter Versuch, ihren Nationalismus zu retten. Sie haben keinen sehnlichsten Wunsch, als sich wieder mit Frankreich identifizieren zu können.
Wenn ihnen dieser Wunsch bisher nicht erfüllt wurde, so liegt es aber gerade daran, daß die meisten Franzosen sich auch gern mit Frankreich identifizieren möchten. Und dies wäre um einiges leichter, wenn es den Algerienkrieg gar nicht gegeben hätte. Im Namen der französischen Staatsräson wurden damals algerische Widerstandskämpfer grausam gefoltert und hingerichtet. Nicht umsonst sehen noch heute französische Soldaten bei den algerischen Kriegs-Comics so aus wie deutsche Nazis bei den französischen. Dies ist es gerade, was den Harkis später das Leben gekostet hat - der jahrelang angehäufte Haß auf die Franzosen. Und das Schlimmste für französischen Nationalisten: Der Krieg ist verloren worden.
Eigentlich sollten die Franzosen erst einmal gestehen, sich selbst - als Menschen - verraten zu haben. Der Algerienkrieg selber, und nicht nur der Verrat an den Harkis, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen. Nicht nur deswegen, weil versucht wurde, die Algerier, die keine Franzosen mehr wollten, zu zwingen, Franzosen zu bleiben oder weil die Algerier, die - wie die Harkis - Franzosen bleiben wollten, zuletzt im Stich gelassen wurden. Dies ist nur ein Verbrechen gegen eine bestimmte Idee der Nation gewesen. Das eigentliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit lag in der Überzeugung, daß die Nation über dem einzelnen Menschen steht. Die Klage sollte sich daher gegen alle Nationalisten richten, seien sie Franzosen, Algerier - oder Harkis

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