Donnerstag, 2. Februar 2012

Armenisch /Französische Französische Doppelmoral?

Das neue Gesetz stellt einzig und allein das Abstreiten der historischen Realität des Völkermords an den Armeniern unter Strafe. Weder der Genozid an den Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika ab 1904 noch der an den Tutsi in Ruanda im Frühjahr und Frühsommer 1994 werden von dem neuen Gesetz erfasst. In Bezug auf den Genozid in Ruanda war nichts anderes zu erwarten angesichts der Tatsache, dass noch lebende und oft noch aktive französische Politiker und Militär­anghörige an diesem Völkermord zumindest indirekt beteiligt waren, dem Untersuchungsbericht einer ruandischen Kommission zufolge (Jungle World, 33/08) sogar direkt. Die Leugnung der wahren Dimensionen dieses Völkermords kam in Frankreich bis vor etwa drei Jahren einer Staatsdoktrin gleich (Jungle World, 3/12). Es ist wesentlich bequemer, die Leugnung eines Völkermords unter Strafe zu stellen, der sich vor mehr als 90 Jahren auf fremdem Staatsgebiet ereignet hat.

Dass die französische Regierung überhaupt ein Gesetz gegen die Leugnung des Genozids an den Armeniern verabschiedet, hat politische Gründe. Ende April und Anfang Mai wird das nächste französische Staatsoberhaupt, im Juni dann das Parlament gewählt. Im Unterschied zu Deutschland leben in Frankreich relativ wenige Staatsbürgerinnen und -bürger türkischer, dafür umso mehr armenischer Herkunft. 


Es dürfte kein Zufall sein, dass Valérie Boyer, eine Abgeordnete der Regierungspartei UMP für den Bezirk um Marseille, den Gesetzesantrag ins Parlament eingebracht hat.

Offiziell kam der Antrag nicht von der Regierung, doch es war klar, dass diese das Vorhaben unterstützen würde. Präsident Nicolas Sarkozy hatte im Oktober bei einem Besuch in Eriwan, der Hauptstadt der seit dem Zerfall der Sowjetunion unabhängigen Republik Armenien, ein solches Gesetz versprochen. In Armenien wurde dessen Verabschiedung mit Begeisterung aufgenommen. Ein neugeborenes Baby wurde vergangene Woche sogar auf den Vornamen »Sarkozy« getauft. Als weiteres Motiv kam bei einer Reihe von konservativen Abgeordneten sicherlich hinzu, dass sie weitere Hürden gegen einen EU-Beitritt der Türkei errichten möchten. Seit Jahren instrumentalisieren sie daher den Vorwurf des Genozids.

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